„Uns geht's ja noch gold“

Das Rostocker digitale Tagebuch

Wo driften wir hin?

Am Abend fahre ich durch blühende Landschaften, ein heiterer blaugrauer Frühlingshimmel über mir und ich kann das vielfältige Grün in einiger Entfernung zur Autobahn, das flächige Gelb der Rapsfelder gar nicht richtig wahrnehmen, geschweige denn genießen. Denn mein Herz ist schwer. Seit einer Woche müssen wir beim Einkaufen Masken tragen. Ein grauenhaftes Gefühl. Es beengt mich, meine Brille beschlägt, meine Nase fängt an zu laufen. Ich kann die Mimik der anderen Leute nicht erkennen. Einkaufen macht keinen Spaß mehr. Ich habe an der Kasse gewartet und die Frau vor mir blaffte mich an, weil sie fand, das wären jetzt aber garantiert keine 2 m Abstand. Schlangen vor Bäckern und Läden. Lange nicht gesehen. Jetzt wo die Infektionszahlen deutlich sinken, wird eine Maskenpflicht angeordnet? Wo es doch wochenlang hieß, Masken würden nichts bringen? Gibt es eigentlich Zahlen darüber, wie viele Menschen gestorben sind, weil notwendige Operationen nicht durchgeführt worden sind, um Krankenhausbetten für Corona-Patienten freizuhalten? Was ist mit der Transparenz der Begründung? Warum hat die Stimme unseres Bundestagspräsidenten kein größeres Gewicht? Ich mache mir große Sorgen um unsere Freiheitsrechte, um unseren Rechtsstaat, zu dem ich mein ganzes Leben lang voller Vertrauen war, den ich als einen der besten, wenn nicht den besten auf der Erde wahrgenommen habe.

Morgen dürfen die Friseurgeschäfte wieder öffnen. Ich habe gleich morgens einen Termin. Und bei dem Gedanken, dabei eine Maske tragen zu müssen, ist mir mulmig.

Eine Kooperationsarbeit des Literaturhaus Rostock e.V. mit dem Kempowski Archiv Rostock e.V.