„Uns geht's ja noch gold“

Das Rostocker digitale Tagebuch

Sehnsüchtig dir

Hastig und doch wie entspannt, hoch zur Straße,
Amalia stehen blieb, bis zum Horizont fern blickte,
sie den Berg Hanuwiewarie wohl in seiner Größe
kaum erahnen konnte. Wandt zu allen Seiten sich,
wollte jedem Nachbarn sagen, was sie dachte,
welchen Weg sie gehe, wie bewegt sie sei.
Warf den bunten Rock umher, tanzte viele Male.
Glatt der Umstand ihr die Freude spiegelte.
Stieß den einen Stein neben Busch und Mauerwerk,
träumte, wanderte und schritt sogleich geradezu
immer näher ran, hin zur Höhe.

Wie der Vater alles schnürte, nichts vergessen wollte:
Haken, Ösen, Riemen, Zelt, Geschirr und Proviant.
Wie besessen Tücher, Decken, Seile, Schuhe mit so spitzen Zähnen.
Ein Gerät, mit dem sie ihren Standort und noch eins,
wie sie Eis und Schnee in seiner Festigkeit
und vieles mehr bestimmen wollten.
Alles lag in großer Runde vor den Augen von Amalia.
Sie nicht fassen konnte, wie sich diese Menge tragen ließ.

Den einen Tag, die Nacht hindurch. Auch war er nicht allein. Ein großes Team
von Wissenschaftlern mehr zu wissen wünschte über Wetterkapriolen.
Und wie dick der Schnee am Hang wohl sei, wie lange Bäume ihren Stand noch
halten können. Wann Steine nach der Schmelze bald zum Vorschein kommen
und der Wind in seiner Stärke bläst. Wolken, Sonnenstrahlen – und viel anderes,
miteinander leicht und doch wie eng zusammenhingen, zu bestimmen waren.

Gar nicht lang und eine Fee erschien. Alt und herzlich voller Zierde,
frisch und munter vor Amalia stand. Mit den Haaren, ihrem Glanz,
den Tag noch mehr erstrahlen ließ. Entzückt vor Freude  
von einem Bein aufs andere sprang. Der Vater ja nicht lange bleiben
und bald zurück von allen Dingen frei und mutig sprechen werde.
Ein Spiel sie spielten. Wer wohl schneller sei und den Riesensprung
als Erster hinbekäme. Beim Verstecken sie den Spaß schnell teilen konnten.
Und soweit man blicken konnte einen Steinwurf tief hinunter.
– Es sei schon spät. Der letzte Satz. Die Zeit vergangen war.   

Plötzlich eine Nebelwand die Sicht versagte. Weder Baum noch Ast erkannte.
Ein Traum, ein Scherz, ihr Herz sich enger zog.
Amalia nicht mehr wusste, hier wie dort, nicht ein noch aus.
Ihre Welt verschwunden, um Himmelswillen was geschehen war?
Mühsam sich Stück für Stück nach vorne schob.
Kein vertrautes Summen, Trillern oder Wehen.
Sturmgebrüll ihr in die Ohren drang.
Fest kaum stehen konnte,  
flatterte ihr Rock nach links, nach rechts.
Den Halt verlor, den Leib ihr Eigen nicht mehr nannte.
Angst nur noch entgegen strömte,
runter auf den Boden fiel und weinte.

Stark seid ihr – wie lächerlich mit diesem liederlichen Zeug.                           
Wenig Sinn ihr habt für Schönheit, Sinn und langes Warten.
Alles soll so bleiben wie es sich gehört.
Dem Menschen seine Sicht, dem Rest die Wohltat und das Gute.
Hört und seht doch nur, wie hübsch sich alles fügt.
Nichts, was uns den Augenblick erschauern lässt.
Ein Reim auf alte Zeiten dieser Welt.

Einen Knopfdruck seht doch her und schon der Sieg auf unsrer Seite.
Donnerschlag als kleinen Fingerzeig. Euch bereits erschauern lässt.
Kräftige, leise und dann wieder toll. Ein Wechselspiel
von vorne wie von hinten. Die Mühe nur, ein rasches Zucken.
Ort und Zeit belanglos sind. Ob feucht, ob trocken oder heiß –
wer weiß das schon. Alles wie es soll und wie’s beliebt.
Das Treten der Pedalen ein Kinderspiel für uns.

Im Aufstieg wir die Chance sehen. Alles, was uns fehlt zum Wohle,                     
in Umwelt und Natur zum friedlichen Beisammensein.
Natürlich auch die Wissbegierde endlich tilgen lässt.

Amalia standhaft halt am Erdreich suchte. Schauerte und um die Wette zitterte.
Bezüglich all der ungeheuren Wucht. Nichts schien ihr mehr sicher.
Hilfe kaum erwarten konnte, am Boden schutzlos kauerte.     
Doch nicht zweifeln durfte. Wie vom Vater oft bestimmt.
Immer nur nach vorn. Immer nur zum nächsten Ziel.
Schwäche nie sich eingestehen. Noch dies Zeichen sah,                            
zu hoffen, jegliches Getöse ein Ende finden werde.                                  

Eine Kinderschar zur Hilfe eilte. Hand in Hand.                                    
Am Strang rasch zerrte. Von Angst und Schrecken sie befreite.
Langsam aufstand und verblüfft zu allen Seiten blickte.
Verschwunden jenes Durcheinander.
Endlich Busch und Baum und Strauch und Gräser wiederfand.
Unsichtbar die weiße Wand. Frei den Blick nun schweifen ließ.  
Wie sie blühte diese Wiese. Wie von Zauberhand das Märchen,
der böse Traum verflogen war.

Tanzend wie zum Ringelspiel, zum freudigen Gesang.
All die Freunde fröhlich tobten, so als wäre es schon ewig
und nie zuvor was anderes geschehen war.
Aufgeräumt und heiter in die Zukunft.
Lasse dich allein mein Vater nicht,
bald in die Arme schließen.

Eine Kooperationsarbeit des Literaturhaus Rostock e.V. mit dem Kempowski Archiv Rostock e.V.