„Uns geht's ja noch gold“

Das Rostocker digitale Tagebuch

Homeoffice

Ich mache Homeoffice: Hab‘ ich mir immer toll vorgestellt, vor allem dann, wenn die Sonne so wunderschön über dem See aufging und ich los musste.

Nun hab ich das. Ist nicht so schön. Mir fehlt das Gegacker morgens im Zug, mir fehlen die Kollegen und mir fehlt mein ständig klingelndes Telefon. Hätte ich nicht gedacht. Aber mir fehlt auch Struktur, das hab ich nun gelesen in unzähligen Beitragen zu Corona und Homeoffice.

Also gehe ich jetzt nicht mehr im Bademantel ins „Büro“, sondern mache mich fertig, als wenn ich das Haus verlassen würde.

Dann setze ich mich vor den Rechner und freue mich, wenn viele Leser Probleme mit der Onleihe hatten, das bedeutet nämlich, dass ich viele Mails beantworten kann und hoffentlich vielen Lesern helfen konnte.

Aber es ist nicht das Gleiche, es ist einfach irgendwie wie ein ewiger Sonntag. Und meine Oma sagte immer schon: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen“. Dieser Spruch kommt mir immer mal in den Sinn, ich glaub, ich verstehe ihn jetzt ein bisschen besser…

Mein Kater scheint tatsächlich genervt von mir zu sein, nach seiner Nachtschicht draußen geht er nicht wie gewöhnlich auf seinen Schlafplatz auf das Sofa, sondern verschwindet im Keller, wo er seine Ruhe hat.

Um den Tag zu verkürzen, übernehme ich jetzt nachmittags einen Teil des Unterrichts für meine Enkelin. Keine Sorge, wir wohnen sowieso so dicht zusammen, dass wir als eine zusammenlebende Familie gelten können. Es wird sich natürlich nicht umarmt, wir machen den Corona-Gruß mit Ellenbogen und Fuß.

Vorgestern hatten wir Sachkunde-Unterricht. Wir sind, ausgerüstet mit Greifzange und Eimer, an der Warnow entlang gegangen, haben Müll gesammelt und Pflanzen bestimmt.

Gestern war Kunst – wir haben Luftballons mit Kleister und Papier beschmiert, die trocknen nun noch und warten auf Vollendung.

Das ist alles ganz nett und ich weiß, dass ich in einer privilegierten Situation bin, ich wohne so außerhalb, dass ich jederzeit raus kann und niemandem begegne. Dann denke ich oft an Freunde und Bekannte, die ihren Laden schließen mussten und wirklich Existenzangst haben. An die alten Menschen, die alleine in ihrer Wohnung sitzen und Angst um ihre Gesundheit haben. An die Ärzte und Schwestern, gerade bei uns in Bützow, wo wir gefühlt die meisten Pflegeheime in Mecklenburg-Vorpommern haben und die nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht. Und an die Verkäuferinnen in den Supermärkten, die ständig die Klopapierregale auffüllen und immer wieder auf die Einhaltung der Abstandsregel hinweisen müssen.

Und ich freue mich so auf den Tag, an dem mein Telefon wieder ständig klingelt, eine Kollegin anfragt, ob ich den Leser mit einem Onleihe-Problem mal schnell übernehmen kann und ich endlich wieder von Angesicht zu Angesicht Lesern mit ihren Fragen zu Tolinos und Onleihe-Apps helfen kann.

Bis dahin – bleibt alle gesund und habt Geduld!

Eine Kooperationsarbeit des Literaturhaus Rostock e.V. mit dem Kempowski Archiv Rostock e.V.