„Uns geht's ja noch gold“

Das Rostocker digitale Tagebuch

Ein außergewöhnlicher Geburtstag

Gestern war mein 55. Geburtstag, ein Dienstag, genau wie der Tag, an dem ich geboren wurde. Ein außergewöhnlicher Geburtstag, komplett ohne Menschen in meiner physischen Nähe, bis nachmittags im Homeoffice. Und doch habe ich so viel Nähe erfahren, dass mir fast die Worte fehlen. Die Vorbereitung dafür hatte ich am Vorabend meines Geburtstags in die Wege geleitet. Ich hatte eine E-Mail an sehr viele Menschen aus meinem nahen und fernen Umfeld gesendet, die teilweise gar nicht wussten, wann mein Geburtstag ist, sie für abends  zu einer Online-Feier über Zoom „eingeladen“ und darum gebeten, mir in der Zeit meiner Geburt, zwischen 13.00 und 14.00 Uhr in Gedanken WOHL-Wollen und Er-MUT-igung für mein neues Lebensjahr zu schicken. Ich war gespannt, wie sich das anfühlen würde. Denn es soll energetisch eine Auswirkung haben, wenn viele Menschen, jedenfalls Acht oder mehr, insbesondere zur gleichen Zeit, die gleiche Intention haben, ihre Energie fokussieren, die gleichen Gedanken denken.

Der Tag hatte schon außergewöhnlich begonnen, nämlich um 7.00 mit der Teilnahme an einer Online-Dyade der Global Dyads Group, in der ich einer mir unbekannten Teilnehmerin aus Krakau zugelost war. Vier Fragen, eine fragt, die andere spürt in sich hinein und antwortet von innen heraus, dann wird gewechselt. Jede Frage für jede Person 5 Minuten, also 40 Minuten. Eine Form gemeinsamer Meditation, die sehr intensiv sein kann und es auch diesmal wieder war. Am Ende hielt meine Dyadenpartnerin mir einen Blumenstrauß in das Bild und wünschte mir Glück. Schöner Start in den Tag, danach mit Kaffee an den Schreibtisch. Seit dem frühen Morgen kamen whatsapp-Nachrichten, E-Mails und Anrufe mit guten Wünschen und Ankündigungen, in der angegebenen Zeit an mich zu denken.

Um 13.00 habe ich begonnen zu meditieren und visualisiert, auf einer Wiese zu sein. Nacheinander kamen viele, denen ich gemailt hatte, zu mir, brachten mir eine Blume und stellten sich in einen Kreis um mich herum. Ich konnte jede und jeden genau vor mir sehen. Die Familienkatzen und Hund waren dabei. Dann kamen verstorbene Familienmitglieder und verstorbene mir wichtige Menschen (Marshall Rosenberg!) etwas blass und durchsichtig und standschwebten in der 2. Reihe. Dann kamen weitere Tiere, ein Falke, ein Storch, eine Giraffe, ein Pferd und in größerer Entfernung ein Wolf und ein Löwe, die die Szenerie zu bewachen schienen. Und die Menschen sangen und summten und eine sanfte Welle von Energie und Liebe flutete mich an und hüllte mich ein. Eine unglaublich intensive neue Erfahrung, wie ich sie in einer Meditation nie zuvor erlebt hatte.

Nach einer guten halben Stunde ebbte die Intensität ab und ich kam wieder in die Realität zurück, genau rechtzeitig, um den Anruf meiner Schwester anzunehmen und von ihr und ihren vier Kindern mit Happy Birthday besungen zu werden. Nun war mir nach einem Lachsbrötchen, bevor der Arbeitstag mit Telefonkonferenzen weiterging. Bizarrer Wechsel!

Danach – lang ersehnt - ein Besuch bei den „grünen Fingern“, von dem ich mit einem schönen Geburtstagsstrauß mit Rosen und Ranunkeln und Kräuter und- Gemüsejungpflanzen für meinen Garten wieder zu Hause ankam. Zeit für ein leckeres Essen: Spargel und Kartoffeln mit einer Soße aus Berliner Bärlauch-Pesto, Butter und Frühlingszwiebeln, dem restlichen Stremellachs, also bereits optisch sehr schön, mit einem Glas Albariño genossen, meinem derzeitigen Lieblingsweißwein.

Um 19.30 durfte ich dann meine Gäste online im Zoom-Raum begrüßen, fast zwei Stunden lang haben mich 21 liebe Menschen besucht, manche kurz, manche länger, aus Deutschland, Polen, USA. Es gab ein Ständchen für mich, viele hatten wie ich ein Glas Sekt zum virtuellen Anstoßen. Die meisten kannten sich untereinander nicht, alle haben sich vorgestellt und erzählt, wie es jedem mit den Corona-Verhältnissen geht. Alle sind gesund. Wir haben abwechselnd deutsch und englisch gesprochen und die ungewohnte und so erfreulich einfache Möglichkeit, uns zu sehen und in Verbindung zu sein, sehr genossen. Was für ein wunderbarer Geburtstag! Ein Glückstag.

Eine Kooperationsarbeit des Literaturhaus Rostock e.V. mit dem Kempowski Archiv Rostock e.V.